Hans-Jürgen Mottschall

Modellbau

 5. Weltwettbewerb der NAVIGA für vorbildgetreue Schiffsmodelle der Klassen C1 - C4 in Ostberlin.

Diese vom Modellsportverband der DDR im Ausstellungszentrum am Fernsehturm ausgerichtete Weltmeisterschaft fand vom 18. - 26.3.1989 statt. Parallel dazu war im Erdgeschoß eine alle Bereiche umfassende Leistungsschau des DDR-Modellsport- Verbandes. Auf der Hinfahrt am 17.3. erreichten wir um 10.45 Uhr die Grenze und mussten feststellen, dass die DDR-Grenzorgane nicht über unser Kommen informiert waren. Im Gegensatz zu 1987, als wir zur Weltmeisterschaft nach Schwerin fuhren und die Grenzabfertigung innerhalb von 30 Minuten hinter uns brachten, dauerte diese diesmal 2 1/2 Stunden. Bei leicht regnerischem Wetter und stellenweise etwas Schnee auf den Feldern wurde der Fernsehturm am Alexanderplatz nach 3stündiger Fahrt erreicht. Nach Erledigung der notwendigen Formalitäten wie Aufenthaltsgenehmigung, Zoll, Kasse und Registrierung brachten wir unsere Modelle auf die vorbereiteten Plätze und wurden dann von einem Kradfahrer aus der Stadt heraus in östliche Richtung nach Mahlsdorf gelotst. In diesem 15 km entfernten Vorort hatte man für die ModellsportIer in einem Arbeiterwohnheim die entsprechenden Unterkünfte bereitgestellt. Die 3- bis 4-Bettzimmer wurden mit jeweils 2 Personen belegt. Sowohl der in jedem Zimmer vorhandene kleine Kühlschrank als auch das Radio wurden als sehr angenehm empfunden. In der Gaststätte im Nebenhaus bekamen wir ab 7.00 Uhr Frühstück, welches in Form eines Büffets verabreicht wurde. Auf die gleiche Weise gab es ab 18.30 Uhr Abendbrot, welches abwechselnd mit Hähnchenkeule, Frikadelle, Bratkartoffeln oder Salaten vervollständigt wurde. Für die tägliche Fahrt in die Stadt hinein war eine Busverbindung eingerichtet. Man konnte aber auch für 20 Pfg. mit der S-Bahn fahren. Diese Möglichkeit wurde gern wahrgenommen, weil man dann doch erheblich früher an Ort und Stelle und zudem der. 10minütige Fußmarsch zum Bahnhof sehr angenehm war.

Ausstellungszentrum am Fernsehturm

Vor der Eröffnung waren kleinere Reparaturen erforderlich

Am Sonnabend fand pünktlich um 9.30 Uhr die Eröffnungszeremonie mit dem Aufziehen der NAVIGA-Flagge statt, im Halbkreis drum herum die Landesfarben der teilnehmenden Nationen. Von den aktiven Teilnehmern der 14 Nationen A/B / BG / BRD / CHN / CSSR / DDR / F / GBR / I  /NL / PL / RO / SU wurden 240 Exponate vorgestellt. Klasse C1: Segelschiffe, Ruderschiffe 55 Modelle Klasse C2: Schiffe mit Motorantrieb 74 Modelle Klasse C3: Schiffsteile und -Anlagen 56 Modelle Klasse C4: Miniaturmodelle, 1:250 und kleiner 55 Modelle

Kl. - C 1 - die "NIPPON MARU" 1:100v. Xingang Lan (CHN) ist wie rechts im Bild sehbar, auch schwimmfähig


Das Mittagessen wurde im HO-Restaurant  'ALEXTREFF' eingenommen. Zwischenzeitlich waren auch die Modelle der Bulgaren angekommen, die auf dem Transport hängen blieben. Auch die Chinesen, die diesmal mit der Transsibirischen Eisenbahn gefahren waren, hatten die Reparaturarbeiten beendet; irgendwo waren einige Modellkisten auf den Kopf gestellt worden. So war am Montag alles komplett und nach dem Essen kam für uns in der Klasse C2 die Stunde der Wahrheit. Die fünf Punktrichter der internationalen Jury aus den Ländern CHN / DDR / BRD / F / RO traten in Aktion und nahmen sich, um einen separaten Tisch herum sitzend, jedes einzelne Modell vor. Dazu wurde dann die beigefügte Dokumentation herangezogen und gemeinsam das Modell auseinander genommen. Bei Bedarf wurde der danebenstehende Modellbauer zu Erläuterungen und Detail-Erklärungen herangezogen.

Am Mittwoch fand im Kinosaal des nebenan liegenden Informationszentrums die sog. 'offene Wertung' statt. Hierbei müssen die fünf Herren der Jury ihre Karten auf den Tisch legen. Auf der schon von Schwerin her bekannten elektronischen Anzeigetafel erschienen dann die einzelnen Wertungen. Von diesen wurden die niedrigste und die höchste Wertung gestrichen, die restlichen drei gedrittelt. Es gab bei uns sowohl erfreute als auch weniger frohe Gesichter; es wurde z. T. doch recht eigenartig gewertet.

Der folgende Tag sah uns nach dem Essen wieder im Kinosaal, und dort wurde uns ein Film über den Modellsport in der DDR vorgeführt. Ausgehend von den verschiedenen Sparten des Schiffsmodellsports ging es über Motorrad- und Automodelle hin bis zu den Flugzeug- und Helikoptermodellen, ein wirklich gelungener Film.

 

Der russ. Raketenkreuzer Kl. - C 2 - "KERTSCH" 1:75 v. Jewgeni J. (SU)


Am Freitag fand nach dem Essen die Exkursion nach Potsdam zum Schloß Sanssouci statt. Bei wirklich unwirtlichem Wetter haben wir uns nur diese Sommerresidenz Friedrichs des Großen von innen angesehen und sind zeitig zurückgefahren. Vorbei am Flughafen Schönefeld passierten wir auch das Rathaus von Köpenick und man dachte sofort an den Film 'Der Hauptmann von Köpenick'. Am Sonnabend fand in einem geeigneten Saal das Bankett statt. Ein riesiges Büffet war aufgebaut und eine Band spielte flotte Weisen. Nach dem Abendessen wurde fleißig getanzt und zwischendurch gab es immer wieder einmal eine Show-Einlage. Beginnend mit einem Meisterpaar der Magie ging es über die beachtlichen Darbietungen einiger Jazzdancer hin zu einem Künstlerpaar, welches klassische Tänze in Vollendung brachte. Der Clou des Abends war jedoch der Auftritt der zwei Tänzer, die sich nicht vertragen. Dieses in der Art der Schlümpfe gekleidete Paar bewegte sich in artistischer Weise tanzend über das Parkett und zeitweise auch auf dem Tisch. Es war eine fantastische Darbietung, die von Dauerapplaus begleitet wurde. Als am Ende die Kostümierung fiel, wurde der Applaus zu einem wahren Orkan; eine einzige männliche Person, deren Arme in kleinen Gummistiefeln steckten, kam zum Vorschein. Eine ganz hervorragende Nummer!

Nach einer durch die Zeitumstellung noch weiter verkürzten Nacht brach mit dem Sonntag unser letzter Tag an. Dieser brachte nach dem Essen im Kinosaal die Siegerehrung. Klassenweise durchgezogen wurden auf der kleinen Bühne die Urkunden überreicht und die schweren Medaillen umgehängt. Im Anschluss daran übergab der Sekretär der NAVIGA die Flagge an den Abgeordneten des bulgarischen Verbandes, welcher 1991 in Varna die nächste Weltmeisterschaft ausrichten wird. Nach dem Abendbrot fuhren wir ein letztes Mal in die Stadt, um nach 19.00 Uhr unsere Modelle abzuholen und unsere Fahrzeuge für die frühzeitige Abfahrt am kommenden Morgen zu packen.

Die strenge Jury unter der Aufsicht des Hauptschiedsrichters


Diese 5. Weltmeisterschaft, die eine durch die hohe Besucherzahl bewiesene große Resonanz bei der Bevölkerung fand, zeigte ein erneutes Ansteigen des Niveaus. Man stelle sich einmal die Reling eines im Maßstab 1:1150 gebauten, in der Klasse C4 gezeigten Modells vor: Höhe etwa 0,8 mm und dann noch mit 2 Zwischenzügen! Ich bin nicht dahintergestiegen, auf welche Art das wohl bewerkstelligt sein mag. Es war natürlich das Modell eines Chinesen, die ja ohnehin in den letzten Jahren die absolute Spitze im Schiffsmodellbau einnehmen. Auch die drei Forschungsschiffe, die in der Klasse C2 mit 96,33/95,67 und 95,00 Punkten die ersten Plätze belegten, waren von Modellsportlern aus Fernost erbaut worden.

Ein ganz besonderer Leckerbissen waren deren in der Klasse C3 gezeigten Schnittmodelle. Da hat man z.B. ein Stück der Außenhaut gekonnt weggelassen und die Innereien wurden gezeigt, im Maßstab 1:50 mit jedem Spant, jedem Knotenblech, mit vollständiger Drehbank im Store, Waschbecken und Heizkörper mit Leitungen und Ventilen. Oder bei einem weiteren Modell war das ganze Unterwasserschiff ohne Außenhaut. Da ist dann vom Bug über das Bugstrahlruder und über den Maschinenraum bis hin zum Propeller alles offen und exakt detailliert gebracht; die Jugend würde wohl sagen 'einfach irre!'.

Nicht unerwähnt bleiben soll die Klasse C1, in welcher der DDR-Kollege Wolfgang Q. mit seiner herrlichen 'Royal Caroline' den Spitzenplatz holte. Da in dieser Klasse die Chinesen bereits die Plätze drei und vier belegen, werden diese wohl bei der kommenden C-Weltmeisterschaft alle vier Klassen beherrschen.

Die absolute Spitzenleistung dieses Wettbewerbes war das der Länge nach geschnittene im Maßstab 1:50 gebaute Versorgermodell 'BIN HAI 282' des Chinesen Jingli Shi, welches ihm volle 98,00 Punkte brachte. Dieser sympathische junge Mann konnte als absoluter Spitzenreiter auch den großen silbernen Sonderpokal mit nach Hause nehmen. Aber auch wir drei Teilnehmer vom SMC - Hamburg brauchen uns nicht zu verstecken, erreichten wir doch 2x Gold und 3x Silber. Im Medaillenspiegel liegt die BRD hinter China und der DDR an dritter Stelle, und wir dürfen zu Recht auf das Erreichte stolz sein.

 

Kl. - C 3 - "BIN HAI 282" 1:50 v. Jingli Chi (CHN)


Wir ModellsportIer dieser internationalen Familie hatten ein sehr herzliches Verhältnis zueinander, es wurden Erfahrungen ausgetauscht, Fachgespräche geführt und Bekanntschaften geschlossen. Es war ein Erlebnis, das man auf keinen Fall missen möchte. Abschließend darf gesagt werden, dass dieser von der DDR ausgerichtete 5. Weltwettbewerb der Klassen C1 - C4 eine wirklich gelungene Veranstaltung war, die herrlichen Schiffsmodellbau zeigte und zugleich die beste Werbung für unser gemeinsames Hobby darstellte.